Medikation

Aspiration nach ungeeigneter Medikamentengabe

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Kritisches Ereignis

Darum geht es

Information zur individuellen Tabletten-Applikation nicht weitergegeben und nicht selbst eingeholt; Verabreichung nicht bedarfsgerecht; pflegebedürftige Person aspirierte.

Bericht zum kritischen Ereignis/Bericht zum kritischen Ereignis

Originalbericht vom 22.04.2025

Was ist passiert?

Bewohnerin erhielt im Nachtdienst eine Antibiotika Tablette, an der sie beinahe erstickt wäre.
Die Tablette hätte geteilt und mti Apfelmus verabreicht werden müssen, dass wusste die PFK nicht.
Die Angehörige wollte daraufhin am nächsten Tag die Polizei rufen.

  • Beinahe
    Aspiration, Bew. war am nächsten Morgen "Apathisch" im Bett aufgefunden worden
  • Stationäre Pflege (z. B. Altenpflegeeinrichtung)
  • Nachtdienst
  • Wochenende/feiertags
  • Pflegebedürftige Person (z. B. Klient/‑in, Bewohner/‑in)
  • Pflegefachperson
  • Kommunikationsprobleme
    PFK wurde die wichtige Info nciht übergeben
  • Mangelnde Organisation
    PFK kam seiner Holpflicht (sich belesen) nicht nach

eine fachgerechte Übergabe erfolgt wäre

Personalgespräche
Angehörigengespräche
Leitung kam am Feiertag extra ins Haus um mti Angehöriger zu reden

  • Ja
    Ist die PFK haftbar wenn die Bewohnerin einen Schaden von dem Ereignis davon trägt?
  • Qualitätsbeauftragte/‑r

Fachliche Empfehlung

Einige Worte vorab: Wir bedanken uns für die Beiträge zum Pflege-CIRS. Über kritische Ereignisse zu berichten, kann Überwindung kosten. Gleichzeitig kann es helfen, solchen Situationen künftig vorzubeugen oder möglichst gut damit umzugehen. Mit den folgenden Tipps möchten wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Langzeitpflege fachlich unterstützen. Sie werden nach bestem Wissen erstellt, können aber nicht alle relevanten Aspekte und ebenfalls keine spezifischen organisationsbezogenen oder individuellen Bedingungen berücksichtigen.

Empfehlung

erstellt am: 30.04.2024

Mangelnde Information professionell Pflegender über den individuellen Unterstützungsbedarf der zu versorgenden pflegebedürftigen Person bei der oralen Medikamentengabe sowie eine nicht bedarfsgerechte Medikamenten-Applikation stellen Gesundheitsrisiken für sie dar. Zum Beispiel kann es bei Menschen mit einer Dysphagie (Schluckstörung) bei der Tabletteneinnahme zu einer Aspiration (Eindringen von Flüssigkeiten oder festen Stoffen in die Atemwege) kommen. Diese kann zu Atemnot sowie einer Aspirationspneumonie führen und lebensbedrohlich sein. Medikamente müssen daher genau so verabreicht werden, wie ärztlich angeordnet. Zudem müssen Regeln zur sicheren Medikamentengabe eingehalten werden. Dazu gehört u. a. die richtige, individuell bedarfsgerechte Unterstützung bei der Einnahme. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind u. a. die Einschätzung des Unterstützungsbedarfs der pflegebedürftigen Person und Dokumentation, die vollständige Informationsweitergabe im Rahmen der Dienstübergabe, die aktive Einholung von Informationen, z. B. durch Nachfragen und Lesen der Pflegedokumentation, sowie die situative Einschätzung und Überwachung auf Anzeichen von Aspiration.

Folgende aus unserer Sicht geeignete Maßnahmen wurden laut Bericht umgesetzt: Personalgespräche | Angehörigengespräche durch Leitung

Hinweis zur pflegefachlichen Frage: Die angegebene Frage betrifft das Haftungsrecht und kann daher vom CIRS-Team nicht beantwortet werden. Hierfür wäre individuelle Rechtsberatung einzuholen.

Unsere Tipps zum Vorgehen bei einem solchen Ereignis

  • bei beeinträchtigter Atmung (z. B. durch Aspiration), Benommenheit oder Bewusstlosigkeit einer pflegebedürftigen Person Kollegen oder Kollegin zur Hilfe rufen, Erste-Hilfe leisten, Notruf wählen (112); pflegebedürftige Person beruhigen und nicht allein lassen, z. B. „Ich bin da und helfe Ihnen.“
  • Arzt oder Ärztin informieren: Symptome, mögliche Ursache (Aspiration) und bisher erfolgte Maßnahmen berichten; weiteres Vorgehen besprechen
  • ärztliche Anordnung dokumentieren und umsetzen, z. B. regelmäßig Vitalzeichen kontrollieren, Sauerstoff geben, Krankenhauseinweisung organisieren
  • Vorgesetzten oder Vorgesetzte über das Ereignis und erfolgte Maßnahmen informieren; weitere Maßnahmen abstimmen
  • zeitnahen Gesprächstermin mit pflegebedürftiger Person und ggf. Angehörigen zum Umgang mit dem Ereignis vereinbaren; dabei darüber informieren, dass die Tablette nicht bedarfsgerecht verabreicht und daher aspiriert wurde; um Entschuldigung für den Fehler bitten; weiteres Vorgehen besprechen
  • sachlich, genau und nachvollziehbar dokumentieren sowie Kollegen und Kolleginnen in Dienstübergabe informieren: Ereignis, aktueller Zustand der pflegebedürftigen Person, ärztliche Anordnung, Maßnahmen, weiteres Vorgehen
  • zeitnah ein Gespräch mit den beteiligten Kollegen und Kolleginnen organisieren; dabei Ereignis sachlich und lösungsorientiert ansprechen, nicht persönlich angreifen, z. B. „Bei der Medikamentengabe von Frau X ist bei mehreren Prozessschritten etwas schiefgelaufen. Dadurch kam es bei ihr zu einer Aspiration. Lasst uns überlegen, wie wir so etwas künftig verhindern können.“
  • Ereignis bei Dienstübergabe und Teambesprechung reflektieren: über mögliche Ursachen (z. B. Mangel an Information oder Fachwissen, Zeitdruck, unübersichtlicher Medikationsplan) und Risiken (z. B. Atemnot, Ersticken, Aspirationspneumonie) sprechen; Maßnahmen vereinbaren; ggf. multiprofessionelle Fallbesprechung organisieren
  • kurzfristig Team-Schulung zur sicheren Medikamentengabe und Aspirationsprophylaxe organisieren

Unsere Tipps zur Prävention eines solchen Ereignisses

  • individuelle Besonderheiten zur Medikamentengabe in Pflegedokumentation hervorheben; z. B. „Aspirationsgefahr – Tablette zerteilen und mit Apfelmus anreichen“; entsprechend bei Dienstübergabe aktiv ansprechen: „Bei Frau X muss die Tablette geteilt und mit Apfelmus angereicht werden.“
  • vor Verabreichen von Medikamenten prinzipiell überprüfen: richtige Person, richtiges Medikament, richtige Dosierung, richtige Applikationsform, richtiger Zeitpunkt; Doppelkontrolle anhand von zwei Informationsquellen vornehmen, z. B. gerichtete Medikamente vor dem Verabreichen mit ärztlicher Anordnung und Pflegedokumentation abgleichen
  • vor oraler Medikamentengabe einschätzen: Ist die Körperposition der pflegebedürftigen Person zum Schlucken geeignet? Ist sie ausreichend wach? Hat die Person Schluckprobleme?; ggf. fragen: „Wie können Sie die große Tablette am besten schlucken?“
  • bei Dysphagie alternative Darreichungsform bei Arzt oder Ärztin erfragen (z. B. Antibiotikum als Saft oder Suspension); vor Teilung von Tabletten oder Einnahme, z. B. mit säure- oder fetthaltigen Lebensmitteln abklären, ob dies unbedenklich ist
  • übliches organisationsinternes Vorgehen bei Dienstübergaben überprüfen und ggf. anpassen: Informationen systematisch und verständlich weitergeben, strukturierten Ablauf festlegen, z. B. an SBAR-Technik orientieren
  • gegenseitig im Team ermutigen, während der Dienstübergabe Fragen zu stellen, z. B. bei Unklarheiten zur Medikamentengabe (Speak Up-Ansatz)
  • organisationsbezogenes Medikamentenmanagement überprüfen und ggf. anpassen, z. B. Zuständigkeiten, mündliche Informationsweitergabe und Dokumentation, Ablauforganisation und Einhaltung von Regeln
  • organisationsinterne Richtlinie für sichere Medikation erstellen, z. B. im Qualitätszirkel; dabei u. a. auch Umgang mit Dysphagie bzw. Maßnahmen zur Aspirationsprophylaxe beschreiben; Mitarbeitende hierüber informieren
  • Mitarbeitende regelmäßig zu Medikationssicherheit (einschließlich Informationsweitergabe, Dokumentation und Aspirationsprophylaxe) schulen; dazu z. B. auch Apotheke und Arzt oder Ärztin anfragen; zudem kurze Lerneinheiten (Microlearning), etwa mithilfe von Lernpostern (One-Minute-Wonder), sowie simulatives Lernen (z. B. Room of Horrors ) nutzen
  • pflegebedürftige Menschen und Angehörige in Medikationsprozess einbeziehen, z. B. ermutigen, professionell Pflegende auf Schluckbeschwerden oder ungeeignete Darreichungsform (wie zu große Tablette) aufmerksam zu machen; zur Medikationssicherheit beraten und anleiten, dafür z. B. ZQP-Kurzratgeber Sicherheit bei der Medikation nutzen
  • feste Zeiten und Regeln vereinbaren, um im Team konstruktiv über kritische Ereignisse zu sprechen, z. B. bei Dienstübergaben, in Teambesprechungen, im Rahmen von Fallbesprechungen oder Kollegialer Beratung; Maßnahmen vereinbaren
  • Instrument nutzen, um kritische Ereignisse anonym zu berichten und zu bearbeiten, z. B. einrichtungsinternes Berichts- und Lernsystem oder einrichtungsübergreifend das Pflege-CIRS

Weitere Infos & Material

Die Empfehlungen sind als fachliche Anregungen zu verstehen und ersetzen nicht die individuelle Rechtsberatung im konkreten Fall. Sie wurden nach bestem Wissen erstellt. Das ZQP übernimmt für die Richtigkeit keine Gewähr und haftet nicht für Schäden.
Stand: 30.04.2025