Gewaltprävention

Nicht bedarfsgerechter Einsatz eines Beruhigungsmittels

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Kritisches Ereignis

Darum geht es

Einem Bewohner wurde ein Beruhigungsmittel verabreicht, wobei die ärztlich angegebene Indikation für diese Bedarfsmedikation nicht erkennbar war.

Bericht zum kritischen Ereignis/Bericht zum kritischen Ereignis

Originalbericht vom 29.10.2025

Was ist passiert?

Wird Bedarfsmedi Beruhigungsmittel ohne Grund verabreicht.

  • Weiß nicht
  • Stationäre Pflege (z. B. Altenpflegeeinrichtung)
  • Spätdienst
  • Pflegebedürftige Person (z. B. Klient/‑in, Bewohner/‑in)
  • Pflegefachperson
  • Anderes
    PFK hat kein Lust sich um BW zu kummern

Diese Situation mit Vorgesitzer ansprechen

Diese Frage wurde nicht beantwortet.

  • Ja
    Das ist Strafbar?
  • Pflegeauszubildende/‑r oder ‑studierende/‑r

Fachliche Empfehlung

Einige Worte vorab: Wir bedanken uns für die Beiträge zum Pflege-CIRS. Über ein kritisches Ereignis zu berichten, kann Überwindung kosten. Gleichzeitig kann es helfen, solchen Situationen künftig vorzubeugen oder möglichst gut damit umzugehen. Mit den folgenden Tipps möchten wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Langzeitpflege fachlich unterstützen. Sie werden nach bestem Wissen erstellt, können aber nicht alle relevanten Aspekte und ebenfalls keine spezifischen organisationsbezogenen oder individuellen Bedingungen berücksichtigen.

Empfehlung

erstellt am: 06.11.2025

Werden Sedativa (Beruhigungsmittel) verabreicht, ohne dass die medizinische Notwendigkeit bzw. die ärztlich angeordnete Indikation vorliegt, stellt dies eine freiheitsentziehende Maßnahme (FEM) dar, die rechtlich unzulässig ist. FEM sind eine Form von Gewalt und bergen für pflegebedürftige Menschen erhebliche psychische und körperliche Risiken, z. B. weil Bewegung, Kognition sowie die selbstbestimmte Alltagsgestaltung eingeschränkt werden. Zudem kann dies das Vertrauen in professionell Pflegende stark belasten. Pflegefachpersonen haben die Aufgabe, Medikamente nach ärztlicher Anordnung zu verabreichen. Dazu gehört u. a., eine Bedarfsmedikation nur bei vorliegender ärztlich angeordneter Indikation zu verabreichen. Dabei ist das Recht auf Selbstbestimmung pflegebedürftiger Menschen zu beachten. Sedativa dürfen niemals eingesetzt werden, um die pflegerische Versorgung zu erleichtern. Das Fachwissen professionell Pflegender zu Formen und Risiken von FEM und geeigneten Alternativen, ihre Haltung für eine gewaltfreie Pflege sowie klare Verfahrensanweisungen zur Gewaltprävention in der Einrichtung sind dabei zentral.

Hinweis zur pflegefachlichen Frage: Die angegebene Frage kann vom CIRS-Team nicht beantwortet werden. Hierfür wäre individuelle Rechtsberatung einzuholen.

Unsere Tipps zum Vorgehen bei einem solchen Ereignis

  • bei Bedenken, dass Sedativa nicht bedarfsgerecht verabreicht werden, als Auszubildender oder Auszubildende Pflegefachperson sofort ansprechen, z. B. „Moment, ich habe eine Frage. Welchen Grund gibt es für die Verabreichung der Bedarfsmedikation bei Bewohner XY? Ist dies gerade notwendig?“ (Speak Up-Ansatz)
  • alternatives Vorgehen vorschlagen, z. B. bei starker motorischer Unruhe vertraute, tagesstrukturierende Tätigkeiten oder gezielte Bewegungsangebote; dafür ggf. Mitarbeitende der Betreuung einbeziehen
  • als Auszubildender oder Auszubildende an verantwortliche Person für Ausbildungskoordination oder Praxisanleitung wenden: Ereignis schildern und weiteres Vorgehen besprechen, z. B. Wohnbereichsleitung informieren; ggf. Ereignis in Absprache dokumentieren
  • als Vorgesetzter oder Vorgesetzte pflegebedürftige Person und ggf. Angehörige oder rechtliche Betreuer oder Betreuerin über Ereignis informieren; um Entschuldigung bitten und weiteres Vorgehen besprechen
  • als Vorgesetzter oder Vorgesetzte das Ereignis zeitnah mit der beteiligten Pflegefachperson ruhig und sachlich nachbesprechen; Gründe erfragen und gemeinsam reflektieren; darauf hinweisen, dass Sedativa nicht zur Erleichterung der Pflege eingesetzt werden dürfen; u. a. rechtliche Aspekte erläutern; ggf. Entlastungsangebote besprechen (z. B. bei Arbeitsverdichtung)
  • kurzfristig Teamschulung zu FEM in der Pflege organisieren; dabei u. a. Risiken und geeignete Alternativen sowie fachgerechten Umgang mit Sedativa als Bedarfsmedikation thematisieren

Unsere Tipps zur Prävention eines solchen Ereignisses

  • Ereignis in Teambesprechung reflektieren: mögliche Ursachen (z. B. persönliche Einstellung, fehlendes Wissen) sowie Risiken von FEM besprechen; Maßnahmen vereinbaren, um ein solches Ereignis künftig zu vermeiden; hierzu Zuständigkeiten festlegen; ggf. multiprofessionelle Fallbesprechung organisieren
  • als Pflegefachperson Bedarfsmedikation nur verabreichen, wenn die ärztlich angeordnete Indikation vorliegt; ggf. vor der Verabreichung von Sedativa Einschätzung von Kollegen oder Kollegin (Pflegefachperson) einholen; ggf. vorab nicht-medikamentöse Maßnahmen (z. B. Bewegungsangebote) evaluieren
  • ärztliche Anordnung im Medikationsplan auf Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit prüfen; ggf. anregen, die Indikation eindeutig zu dokumentieren; dafür z. B. auf die APS-Empfehlung Gute Verordnungspraxis in der Arzneimitteltherapie verweisen
  • Mitarbeitende regelmäßig zum Umgang mit FEM schulen; dabei ethische Handlungskompetenz und rechtlichen Grundlagen thematisieren (z. B. ZQP-Arbeitsmaterial Gewaltprävention nutzen), ggf. Ethikberater oder Ethikberaterin bzw. Jurist oder Juristin für Pflegerecht einbeziehen
  • Mitarbeitende regelmäßig zur Medikationssicherheit schulen: u. a. fachgerechter Umgang mit Sedativa als Bedarfsmedikation; dazu z. B. auch Apotheke und Arzt oder Ärztin einbeziehen; kurze Lerneinheiten (Microlearning), etwa mithilfe von Lernpostern (One-Minute-Wonder), sowie simulatives Lernen (z. B. Room of Horrors) anbieten
  • pflegebedürftige Menschen und ggf. Angehörige oder rechtliche Betreuer oder Betreuerin ermutigen, anzusprechen, wenn es Bedenken zur professionellen Pflege gibt; dazu ZQP-Ratgeber Gute professionelle Pflege erkennen anbieten
  • organisationsinternes Gewaltschutzkonzept implementieren; darin u. a. Verhaltenskodex und Umgang mit Vorfällen festhalten; zudem unterstützende Strukturen schaffen, z. B. Beauftragte für Gewaltprävention benennen und Aufgaben klar definieren

Allgemeine Tipps zum Umgang mit kritischen Ereignissen

  • feste Zeiten und Regeln vereinbaren, um im Team konstruktiv über kritische Ereignisse zu sprechen, z. B. bei Dienstübergaben, in Teambesprechungen, im Rahmen von Fallbesprechungen oder Kollegialer Beratung
  • gegenseitig im Team ermutigen, als problematisch oder fehlerhaft empfundenes Handeln anzusprechen und zu hinterfragen (Speak- Up Ansatz)
  • kurzfristige, situationsbezogene Schulungen organisieren
  • Instrument nutzen, um kritische Ereignisse anonym zu berichten und zu bearbeiten, z. B. einrichtungsinternes Berichts- und Lernsystem oder einrichtungsübergreifend das Pflege-CIRS

Weitere Infos & Material

Die Empfehlungen sind als fachliche Anregungen zu verstehen und ersetzen nicht die individuelle Rechtsberatung im konkreten Fall. Sie wurden nach bestem Wissen erstellt. Das ZQP übernimmt für die Richtigkeit keine Gewähr und haftet nicht für Schäden.
Stand: 06.11.2025