Darum geht es
Einem Bewohner mit kognitiven Einschränkungen wurde ein sedierendes Medikament gegeben, um ihm Augentropfen zu verabreichen, die er verweigerte.
Originalbericht vom 25.11.2025
Heute kam es bei einem Bewohner zu Schwierigkeiten bei der Medikamentengabe. Der Bewohner sitzt üblicherweise im Rollator, kann jedoch auch längere Strecken ohne Gehhilfe zurücklegen. Kognitiv ist er deutlich eingeschränkt, da er nur einzelne Wörter äußert, häufig Gesagtes wiederholt und auf Fragen meist lediglich mit „ja“ antwortet. Bei der vorgesehenen Gabe der Augentropfen verweigerte er diese deutlich. Ich informierte die zuständige Pflegefachkraft darüber, die – scherzhaft gemeint – äußerte, dass man ihm dann „etwas reinballern“ würde, und daraufhin den Medikationsplan überprüfte. Auf diesem war Quetiapin als Mittel erster Wahl und Lorazepam (Tavor) als Mittel zweiter Wahl bei Unruhe vermerkt. Die Pflegefachkraft gab mir anschließend eine Tablette Quetiapin zur Verabreichung. Auf dem Weg zum Bewohner bemerkte ich, dass er im Sitzen eingeschlafen war und nur schwer ansprechbar war, was mich belastete, da ich Sorge hatte, ihn durch die Gabe weiter zu sedieren. Die Tablette fiel mir unterwegs herunter und ich fand sie nicht mehr wieder, weshalb ich zur Pflegefachkraft zurückging, die mir eine neue Tablette gab. Diese verabreichte ich dem Bewohner dann entsprechend der Anweisung. Im weiteren Verlauf zeigte er sich jedoch recht aktiv und lief ohne Gehhilfe im Wohnbereich umher. Später sollte ein erneuter Versuch unternommen werden, ihm die Augentropfen zu geben. Ich fand ihn liegend auf einer Couch, er wollte nicht mehr aufstehen und verweigerte die Tropfen erneut. Ich inform
Verhindert hätte das Ereignis werden können, wenn vorab alternative Maßnahmen zur Deeskalation oder zur Förderung der Kooperation versucht worden wären, wie etwa ein erneuter Gesprächsversuch, ein anderer Zeitpunkt, eine zweite Person zur Unterstützung oder ein strukturierter Umgang mit Medikamenten
Nach dem kritischen Ereignis wurde die verantwortliche Pflegefachkraft informiert, die daraufhin den Medikationsplan einsah, die Bedarfsmedikation anordnete und die weitere Versorgung übernahm. Ich selbst habe den Verlauf sachlich weitergegeben und mich anschließend aus der Situation zurückgezogen.
Einige Worte vorab: Wir bedanken uns für die Beiträge zum Pflege-CIRS. Über ein kritisches Ereignis zu berichten, kann Überwindung kosten. Gleichzeitig kann es helfen, solchen Situationen künftig vorzubeugen oder möglichst gut damit umzugehen. Mit den folgenden Tipps möchten wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Langzeitpflege fachlich unterstützen. Sie werden nach bestem Wissen erstellt, können aber nicht alle relevanten Aspekte und ebenfalls keine spezifischen organisationsbezogenen oder individuellen Bedingungen berücksichtigen.
erstellt am: 10.12.2025
Wird ein Medikament mit sedierender Wirkung (z. B. Antipsychotikum) verabreicht, ohne dass die medizinische Notwendigkeit bzw. die ärztlich angeordnete Indikation vorliegt, stellt dies eine freiheitsentziehende Maßnahme (FEM) dar. FEM sind eine Form von Gewalt und bergen für pflegebedürftige Menschen erhebliche psychische und körperliche Risiken, z. B. weil Bewegung, Kognition sowie die selbstbestimmte Alltagsgestaltung eingeschränkt werden. Zudem kann dies das Vertrauen in professionell Pflegende stark belasten. Pflegefachpersonen haben die Aufgabe, Medikamente nach ärztlicher Anordnung zu verabreichen. Dazu gehört u. a, eine Bedarfsmedikation nur bei vorliegender ärztlich angeordneter Indikation zu verabreichen. Dabei sind berufsethische Prinzipien einzuhalten, wie Achtung der Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Person und deren unterstützte Entscheidungsfindung. Sedierende Medikamente dürfen niemals eingesetzt werden, um die pflegerische Versorgung zu erleichtern. Stattdessen gilt es, förderliche Voraussetzungen für die Akzeptanz von pflegerischen Maßnahmen bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu schaffen. Das Fachwissen professionell Pflegender zu Formen und Risiken von FEM und geeigneten Alternativen, ihre Haltung für eine gewaltfreie Pflege sowie klare Verfahrensanweisungen zur Gewaltprävention in der Einrichtung sind dabei zentral.