Kommunikation

Schamgefühle bei Hautinspektion nicht beachtet

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Kritisches Ereignis

Darum geht es

Bei einem Bewohner, der sich duschte, wurde eine Hautinspektion durchgeführt und dessen Schamgefühle nicht beachtet; in der Folge zog sich der Bewohner zurück.

Bericht zum kritischen Ereignis/Bericht zum kritischen Ereignis

Originalbericht vom 20.05.2025

Was ist passiert?

Bei einem Bewohner, der orientiert ist und selbstständig duscht wurde während des Duschens eine Hautschau durch Pflegekraft durchgeführt. Der Bewohner hat sich sehr geschämt. Pflegekraft hat das ignoriert. Bewohner hat sich danach in der Einrichtung unwohl gefühlt und immer mehr zurückgezogen.

  • Ja
    Depressive Symptome haben sich verstärkt
  • Stationäre Pflege (z. B. Altenpflegeeinrichtung)
  • Frühdienst
  • Pflegebedürftige Person (z. B. Klient/‑in, Bewohner/‑in)
  • Pflegefachperson
  • Kommunikationsprobleme
    Fachkraft hat Scham beim Bewohner ignoriert bzw. nicht wahrgenommen
  • Persönliche Faktoren
    Ungeduld und Eile, da noch mehrere Bewohner versorgt werden mussten

Schulungen zum Thema Gewaltprävention?

Angehörige hat Leitung und Pflegekraft informiert. Pflegekraft hat sich beim Bewohner entschuldigt.

  • Nein
  • Andere
    Betreuungskraft

Fachliche Empfehlung

Einige Worte vorab: Wir bedanken uns für die Beiträge zum Pflege-CIRS. Über ein kritisches Ereignis zu berichten, kann Überwindung kosten. Gleichzeitig kann es helfen, solchen Situationen künftig vorzubeugen oder möglichst gut damit umzugehen. Mit den folgenden Tipps möchten wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Langzeitpflege fachlich unterstützen. Sie werden nach bestem Wissen erstellt, können aber nicht alle relevanten Aspekte und ebenfalls keine spezifischen organisationsbezogenen oder individuellen Bedingungen berücksichtigen.

Empfehlung

erstellt am: 28.05.2025

Wird während der selbstständigen Körperpflege eine Hautinspektion durchgeführt, kann das bei pflegebedürftigen Menschen Scham auslösen. Dies kann mit Stress, Angst, Wut sowie Gefühlen der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins einhergehen. Wenn Schamgrenzen verletzt werden, kann das auch als sexualisierte Gewalt empfunden werden. Starke und anhaltende Scham kann sehr belasten. Folgen sind zum Beispiel: geringes Selbstwertgefühl und Wohlbefinden, sozialer Rückzug, Einsamkeit, sinkendes Vertrauen zu Pflegenden. Bei der Pflege können Schamgrenzen nicht immer vollständig gewahrt werden. Professionell Pflegende können aber wesentlich dazu beitragen, schambehafteten Situationen vorzubeugen oder möglichst gut damit umzugehen. Dazu gehört u. a., eine Hautinspektion vorab gut zu planen und mit der pflegebedürftigen Person abzustimmen. Ein Bewusstsein für individuelle Schamgrenzen sowie sensibles Vorgehen sind dabei wichtig.

Folgende aus unserer Sicht geeignete Maßnahmen wurden laut Bericht umgesetzt: Bewohner um Entschuldigung gebeten

Unsere Tipps zum Vorgehen bei einem solchen Ereignis

  • als Vorgesetzter oder Vorgesetzte zeitnah mit der Pflegefachperson das Ereignis sachlich und lösungsorientiert besprechen; weiteres Vorgehen abstimmen, u. a. pflegebedürftige Person zügig um Entschuldigung bitten, Gespräch mit ihr und ggf. Angehörigen zum Umgang mit dem Ereignis vereinbaren
  • mit pflegebedürftiger Person und ggf. Angehörigen über das Ereignis und das weitere Vorgehen sprechen: Verständnis zeigen, Bedürfnisse und Erwartungen klären, Unterstützung beim Umgang mit dem Ereignis anbieten, ggf. externe Beratung vermitteln, z. B. psychologische Hilfe
  • Ereignis sachlich, genau und nachvollziehbar dokumentieren: Situation, Reaktion der pflegebedürftigen Person und ggf. Angehöriger, Folgen, Maßnahmen

Unsere Tipps zur Prävention eines solchen Ereignisses

  • Ereignis in Teambesprechung reflektieren: über eventuelle Auslöser (z. B. Vorgehen der Pflegefachperson), Anzeichen und Folgen von Scham sowie über mögliche Ursachen für das Ereignis sprechen (z. B. mangelndes Problembewusstsein, Zeitdruck); Umgang mit Scham sowie eigenen und fremden Schamgrenzen hinterfragen; organisationsinterne Maßnahmen vereinbaren und alle Mitarbeitenden darüber informieren
  • bei der Pflege prinzipiell sensibel vorgehen und reflektieren: Was kann Scham auslösen? Gibt es Anzeichen für Scham (z. B. Erröten, Erbleichen, Angst, Wut, gesenkter Blick)? Was kann in der konkreten Situation dazu beitragen, Scham vorzubeugen oder entgegenzuwirken?
  • pflegebedürftige Menschen und ggf. Angehörige möglichst konkret, aber sensibel fragen, was Scham auslöst; Bedürfnisse und Erwartungen klären; Regeln zum Schutz der Schamgrenzen vereinbaren (z. B. zum Vorgehen bei der Körperpflege, Pflege bevorzugt durch Mann/Frau); in Pflegedokumentation festhalten, z. B. als Teil der Pflegeanamnese
  • pflegebedürftige Menschen und ggf. Angehörige ermutigen, Schamgrenzen aufzuzeigen und das Recht auf Intimsphäre einzufordern
  • Mitarbeitende zum Umgang mit Scham schulen, dafür z. B. ZQP-Arbeitsmaterial zur Prävention sexualisierter Gewalt einsetzen; zudem kurze Lerneinheiten (Microlearning) nutzen, z. B. Lernposter (One-Minute-Wonder)
  • als problematisch oder unpassend empfundenes Verhalten von sich selbst oder anderen nicht verharmlosen; unterstützend und lösungsorientiert ansprechen, wenn Verhalten als beschämend wahrgenommen wird; ggf. die Situation sofort unterbrechen (Speak Up-Ansatz)
  • pflegebedürftige Menschen und ggf. Angehörige über hautbezogene Risiken und die Relevanz von Hautinspektionen informieren; Ablauf einer professionellen Hautinspektion erläutern; Zeitpunkt und Vorgehen abstimmen
  • Scham bei der Hautinspektion beachten: jede Handlung ankündigen; nur Körperteile entkleiden, deren Haut geprüft wird, ggf. mit Badetuch bedecken; zwischendurch fragen, ob das Vorgehen in Ordnung ist; ausreichend Zeit einplanen; bei Anzeichen von Scham Maßnahme unterbrechen, ggf. Kollegen oder Kollegin bitten, später fortzusetzen
  • feste Zeiten und Regeln vereinbaren, um im Team konstruktiv über kritische Ereignisse zu sprechen, z. B. bei Dienstübergaben, in Teambesprechungen, im Rahmen von Fallbesprechungen oder Kollegialer Beratung
  • Instrument nutzen, um kritische Ereignisse anonym zu berichten und zu bearbeiten, z. B. einrichtungsinternes Berichts- und Lernsystem oder einrichtungsübergreifend das Pflege-CIRS

Weitere Infos & Material

Die Empfehlungen sind als fachliche Anregungen zu verstehen und ersetzen nicht die individuelle Rechtsberatung im konkreten Fall. Sie wurden nach bestem Wissen erstellt. Das ZQP übernimmt für die Richtigkeit keine Gewähr und haftet nicht für Schäden.
Stand: 28.05.2025